15.12.2023 (pm): Dicke Luft und mächtig Frust in den Finanzbehörden

PRESSE – MITTEILUNG

der Deutschen Steuer-Gewerkschaft (DSTG)

Gelnhausen, 15. Dezember 2023

Aktuelle Umfrage der DSTG-Hessen belegt:

„Dicke Luft und mächtig Frust in den Finanzbehörden“

Ergebnis der Umfrage zu Arbeitsbedingungen und Arbeitszufriedenheit in den hessischen Finanzbehörden zeigt große Unzufriedenheit.

Es muss etwas geschehen: Steuergewerkschaft Hessen schlägt „Runden Tisch“ mit dem Finanzministerium zur Lösung der Probleme vor.

Und das sind die zentralen Ergebnisse:

  • 71 Prozent sind unzufrieden mit ihrer beruflichen Situation,
  • 55 Prozent haben bereits ernsthaft darüber nachgedacht, ihren Arbeitsplatz in der hessischen Finanzverwaltung aufzugeben und
  • 51 Prozent würden ihre Tätigkeit mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht noch einmal ergreifen.

„Diese Ergebnisse sind erschreckend. Die neue Landesregierung muss umgehend handeln. Wie in der Vergangenheit sollten DSTG und Behördenleitungen gemeinsam an einer konstruktiven Lösung der Probleme arbeiten. Die DSTG Hessen steht zum Beispiel für einen „Runden Tisch“ bereit“, betonten der Vorsitzende der DSTG Hessen, Michael Volz und die übrigen Mitglieder des Landesvorstands. Der aktuelle Regierungswechsel sei eine gute Gelegenheit für einen Neuanfang.

Nachdem in den vergangenen Monaten immer wieder Meldungen des Finanzministeriums veröffentlicht wurden, wonach die Stimmung in den hessischen Finanzbehörden sehr gut sei, sah sich die mit weitem Abstand mitgliedergrößte und bedeutendste Gewerkschaft innerhalb der Finanzverwaltung gezwungen, dem Thema auf den Grund zu gehen. Sie befragte in den vergangenen Wochen alle 16.000 Beschäftigten der hessischen Finanzbehörden zu ihrer Arbeitssituation und ihrer Arbeitszufriedenheit. 6.300 Beschäftigte und damit rund 37 Prozent aus allen Ämtern und Behörden beteiligten sich. Besonders bemerkenswert war, dass rund 1.900 Befragte die Gelegenheit nutzten, ihre persönliche Meinung zur Lage in den Finanzbehörden im Rahmen einer Freitextantwort auszurücken. Einen Auszug dazu haben wir in einem angefügten Dokument veröffentlicht.

Hohe Arbeitsbelastung, schlechte Bezahlung und interne Regelungen, die Sand ins Getriebe bringen
„Die Ergebnisse sind alarmierend und spiegeln genau das wider, was wir seit geraumer Zeit von Beschäftigten hören, was uns im Ministerium aber niemand glauben wollte: Die Stimmung in den hessischen Finanzbehörden ist auf dem Tiefpunkt“, so Michael Volz. Da sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus allen Teilen des Geschäftsbereichs und allen Altersklassen an der Umfrage beteiligt haben, geben die Ergebnisse ein realistisches Stimmungsbild wieder. Eindeutig sind die Gründe für die schlechte Stimmung: Neben einer zu hohen Arbeitsbelastung spielt eine inadäquate Bezahlung eine besondere Rolle bei der schlechten Stimmung. 91 Prozent monieren die Arbeitsbelastung. Davon sagen 30 Prozent sie fühlten sich dauernd und 61 Prozent, sie fühlten sich manchmal in ihrem Job überlastet. Auch zahlreiche interne Regelungen des Finanzministerium bringen nur Sand ins Getriebe, und haben zu Frustrationen geführt. Sie gehören wieder zurückgeführt.

„Uns fehlt einfach Personal“, ergänzt Vorstandsmitglied Daniela Heil. „Immer weniger Beschäftigte müssen immer mehr Arbeit leisten, Stichwort ‘Grundsteuer’ und dies unter immer größerem Druck von oben.“ Der Arbeitgeber biete zwar Sport-, Entspannungs- und Gesprächsangebote als Ausgleich an, doch knapp 50 Prozent der Befragten halten diese Angebote keineswegs für ausreichend zur Kompensation. „Einmal eine Stunde Yoga in der Woche, gleicht nicht fünf Tage Überbelastung aus“, so Heil. Oder, wie es in einer Freitext-Antwort der Umfrage so schön heißt: ‘Man kann gar nicht so viel in den Wald gehen (man wäre nur noch im Wald), um den Stresspegel zu senken. Wenn die Arbeitsbelastung zu hoch ist, kann die Kompensation sein, wie sie will. Es reicht nicht.’“ Hinzu komme, dass rund 40 Prozent die Ausgleichs-Angebote noch nicht in Anspruch genommen hätten, vor allem, um die Kollegen mit all der Arbeit nicht noch mehr alleine zu lassen.

Die hessischen Finanzbehörden brauchen mehr Personal
„Es führt kein Weg dran vorbei, die hessischen Finanzbehörden brauchen mehr Personal“, fordert Volz. Er erkennt zwar die Bemühungen des Arbeitgebers an, neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu rekrutieren, das Problem sei jedoch zum einen, dass der Arbeitgeber darüber die bestehende Belegschaft vernachlässige und zum anderen, dass er die Bewerber mit falschen Versprechungen locke. Das führe dazu, dass Viele gleich nach der Ausbildung oder der Probezeit die Finanzbehörden wieder verließen, um in die freie Wirtschaft zu gehen.

„Unser Dienstherr gibt vor, ein moderner, familienfreundlicher Arbeitgeber zu sein, doch das stimmt nur teilweise“, so Heil. „Unsere IT wird ständig verändert und läuft sehr instabil. Jeden Tag fällt irgendein Programm aus, das wir für unsere Arbeit aber dringend benötigen. In einer Freitext-Antwort heißt es dazu sehr treffend: ‘Ich werde täglich mit einer Steinschleuder in einen Atomkrieg geschickt, und es wird erwartet, dass ich die Schlacht in nur wenigen Tagen gewinne.’“ Auch die Möglichkeit, 50 Prozent der Arbeit aus dem Homeoffice zu erledigen, sei zwar mehr als früher, könnte aber im Sinne der Familienfreundlichkeit problemlos weiter ausgebaut werden.

Hinzu komme, dass in dem starren Beamtenkorsett der Finanzbehörden nach wie vor noch antiquierte Hierarchien vorherrschten, die Aufstiegschancen begrenzt und die Bezahlung sowie die Wochenarbeitszeit absolut inadäquat seien. „Die Rechtswidrigkeit der Besoldung wurde bereits gerichtlich festgestellt, Inflationsausgleich und Gehaltsanpassung bleiben jedoch aus. Das Land feiert derweil einen ‘Rekordüberschuss’ – wie diese Situation als zufriedenstellend dargestellt werden kann bleibt dem Verständnis der zuständigen Politiker vorbehalten, dem einfachen Beamten ist es nicht erklärbar“, lautet eine weitere Freitext-Antwort.

„Unser Dienstherr verlangt von uns Tag für Tag rechtskonformes Arbeiten, er selbst hält sich jedoch keineswegs daran“, so Volz und Heil. In Bezug auf die Wochenarbeitszeit, drückt nachfolgende Antwort einer Teilnehmerin/eines Teilnehmers die Situation sehr treffend aus: „Wenn sich nichts tun sollte mit den 41 Stunden Arbeitszeit in der Woche werde ich nach meinem Studium kündigen und zum Steuerberater gehen. Auch, dass die Zeitgutschrift pro Quartal gestrichen wurde, weil diese nicht mehr zeitgemäß ist, ist einfach nur lächerlich aber eine 41 Stunden-Woche die ist natürlich noch zeitgemäß…. Hätte ich das alles vorher gewusst hätte ich das Studium hier in dem Laden nie angefangen.“ Mit der Wertschätzung hapert es gewaltig – Aktionsplan Zukunft als Antwort.

All das führt dazu, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der hessischen Finanzbehörden sich nicht ausreichend wertgeschätzt fühlen. Lediglich 2.3 von fünf Sternen vergaben sie auf die Frage nach der Wertschätzung durch den Arbeitgeber. Da stellt sich zu Recht die Frage, ob man in einem Hotel mit einer solchen Bewertung Urlaub machen oder in einem solchen Onlineshop einkaufen würde? Die Antwort lautet ganz klar: Nein!“, so Volz. „Wieso sollte dann also jemand für einen Arbeitgeber mit solch einer Bewertung arbeiten wollen?“

„Klar ist, es muss sich eine Menge ändern“, so Heil. Als Gewerkschaft hat sich die DSTG Hessen natürlich auch Gedanken über Verbesserungsmöglichkeiten gemacht und den „Aktionsplan – Zukunft“ erarbeitet. Darin präsentiert sie der Landesregierung konkrete Vorschläge, um erstklassiger Arbeitgeber zu werden, denn nur diese bekommen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sie haben möchten und brauchen. „Wir haben einen sinnhaften Beruf, eine hochkomplexe und erstklassige Ausbildung und danach fallen wir ins Mittelmaß, obgleich wir, die Beschäftigten der Finanz- und Steuerbehörden für volle Staatskassen sorgen. Von daher gilt es mit einer breit angelegten Attraktivitäts-Offensive nicht nur die Bewerberlage zu verbessern, sondern auch die bestehenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zufriedenzustellen“, betont Volz.

Die Vorschläge der DSTG Hessen beinhalten unter anderem eine adäquate Bezahlung, erstklassige Chancen für die Personalentwicklung, eine sinnvolle Digitalisierung der Arbeitsprozesse, bessere Mitbestimmung und flache Hierarchien, sinnstiftende Tätigkeiten, familienfreundliche flexible Arbeitszeiten, eine Grundoffenheit für die Vier-Tage-Woche sowie Vorschläge für eine wertebasierte Vertrauenskultur. „Entscheidend ist, dass die Finanz- und Steuerbehörden ihre Arbeitsbedingungen rasch attraktiver gestalten, um die Arbeitsfähigkeit der öffentlichen Dienstleistungen auch in Zukunft zu gewährleisten, denn: Fehlen im ersten Schritt Finanzer, dann fehlen im zweiten Schritt Steuereinnahmen“, so Volz und Heil abschließend.
Pressekontakt: Detlef Hans Franke, 0171 / 41 42 811, detlef.franke@fup-kommunikation.de