21.11.2025 (pm): „300 Finanz-Spartaner“ retten Kommunen personell?

PRESSE – MITTEILUNG

der Deutschen Steuer-Gewerkschaft (DSTG)

Gelnhausenn, 21. November 2025

„300 Finanz-Spartaner“ retten Kommunen personell?

 

Finanzbeschäftigte sollen hessische Kommunen unterstützen (KommUnitiy)

 

 

Die Deutsche Steuer-Gewerkschaft Hessen (DSTG), die Fachgewerkschaft der hessischen Finanzverwaltung, nimmt anlässlich ihrer Sitzungen von Landesvorstand und Landesjugendvorstand im osthessischen Bad Soden-Salmünster mit Sorge die Absicht der Landesregierung zur Kenntnis, etwa 300 Beschäftigte der hessischen Finanzverwaltung für bis zu zwei Jahre in Kommunen abzuordnen.

 

Ziel dieser Maßnahme (Kennwort: KommUnity) soll sein, die derzeit finanziell in Not stehenden 421 hessischen Städte und Gemeinden sowie 21 Landkreise auch personell zu unterstützen. Was auf den ersten Blick als solidarischer Beitrag erscheinen mag, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als politisch fragwürdiges und fachlich bedenkliches Experiment – mit erheblichen Risiken für die Handlungsfähigkeit der Finanzverwaltung und der Staatsfinanzen.

 

Ein gefährlicher Eingriff in die Einnahmeverwaltung des Landes

 

Die hessische Finanzverwaltung ist der einzige Geschäftsbereich der Hessischen Landesverwaltung, der effektiv für Staatseinnahmen sorgt. Sie leistet mit hoher Fachkompetenz und großem Engagement einen entscheidenden Beitrag zur finanziellen Stabilität Hessens.

Dass ausgerechnet diese zentrale Verwaltung nun wieder – noch weiteres Personal abgeben soll, anstatt gerade die Finanzverwaltung zu stärken, ist aus unserer Sicht ein schwerwiegender Fehler. In diesem Zusammenhang darf nicht vergessen werden, dass über mehrere Jahre und aktuell noch immer etwa 50-80 Mitarbeitende aus hessischen Finanzbehörden die Regierungspräsidien bei der Bearbeitung der Corona-Hilfen unterstützen.

 

Daher: Wer die Einnahmeverwaltung kontinuierlich schwächt, gefährdet die finanzielle Grundlage und Stabilität des Hessenlandes. Gerade erst am 19.11.2025 hat zdfheute in einem Beitrag umfassend herausgearbeitet, dass Milliardenverluste der öffentlichen Hand entstehen, weil zu wenig Personal in den Finanzämtern eingesetzt ist.

 

Wir möchten nicht ausschließen, dass die anstehende Kommunalwahl am 15. März 2026 eine Rolle spielt. Sollte die Maßnahme vor allem als politisches Signal gedacht sein, wäre dies umso bedenklicher.

 

Fehlende Beteiligung und mangelnde Transparenz

 

Es verwundert nicht, dass die DSTG Hessen bzw. selbst die Stufenpersonalvertretungen seit Jahren bei den zentralen Personalbedarfs-Berechnungen und Steuerungsinstrumenten (PersBB, PLS, Personalausgleich- und Verteilung) systematisch weder informiert noch eingebunden werden – ja sogar strukturiert und organisiert ausgegrenzt werden.


Sollten Personalsteuerungsinstrumente tatsächlich künstlich „heruntergerechnet“ worden sein, um rechnerisch Personal-Überhänge zu erzeugen, entfernt sich die Personalplanung endgültig von der Realität in den Ämtern.

 

 

Rückmeldungen aus den Finanzämtern eindeutig

 

  • „Wissen, die da oben nicht, wieviel Arbeit wir in den Ämtern haben“.
  • Die Arbeitsbelastung und der Druck auf Beschäftigte steigen weiter. Die Arbeitsverdichtung für die Verbleibenden wird noch größer. „Wir wissen nicht mehr, wo wir zuerst anpacken sollen und wie wir die Fälle stemmen sollen“.
  • Die Personaldecke ist bereits jetzt viel zu dünn.
  • Die einst hohe Arbeitsmoral leidet zusehend unter einer wachsenden Kluft zwischen Realität und offizieller Darstellung im Mitarbeiter-Portal „lächerlich“.
  • Haben sich Chefverantwortliche bei der Festlegung der Einstellungsquoten um 300 Beschäftigte verrechnet?
  • Wird die Statistik für die Produktivbereiche der Finanzämter für zwei Jahre ausgeschaltet?
  • Nehmen die vorgesetzten Dienstbehörden Abstand von der Vollauffüllung der Außendienste?
  • Können 300 Finanz-Beschäftigte in 2 Jahren die 421 hessischen Städte und Gemeinden sowie die 21 Landkreise mit über 300.000 Beschäftigten effektiv unterstützen und retten?
  • Gibt es tatsächlich keine Alternativen den ressortbezogenen Einsparbeitrag zu erbringen? Bedarf es konstruktiver Vorschläge bezüglich des Konsolidierungsbeitrags für den Einzelplan 06?

 

Die Folge: Die Erfüllung gesetzlicher Aufgaben – etwa in der Steuerprüfung und im Innendienst – gerät zunehmend in Gefahr. Statt in mehr Qualität bei der Bearbeitung und für einen gleichmäßigeren Steuervollzug zu sorgen, schließt man quasi für zwei Jahre Finanzämter der Größenordnung des Finanzamts Bensheim oder Gelnhausen.

 

Notwendige Konsequenzen

 

Sollte die Landesregierung die Beschäftigten der Finanzverwaltung nun als universell einsetzbare Fachkräfte für ganz Hessen begreifen, dann muss sie diese auch entsprechend wertschätzen – finanziell wie strukturell.

 

Wir fordern daher:

 

– Einführung der Besoldungsgruppe A 13 Z synchron zu anderen Verwaltungsbereichen

– ein gezieltes Fortkommensprogramm für den mittleren Dienst

– eine moderne Entgeltordnung für unsere Tarifbeschäftigten, die Leistung und Verantwortung abbildet

– eine alimentationsgerechte Besoldung und Versorgung unserer Mitglieder

 

Diese Maßnahmen wären sodann ein glaubwürdiges Signal an die Beschäftigten, dass ihre Arbeit und Qualifikation anerkannt werden. Schlüssig vor allem auch vor dem Hintergrund, dass aktuell Erträge aus dem „Alterssparbuch“ des Beamten- und Versorgungsbereichs für andere Zwecke verwendet werden.

 

Dialog statt Symbolpolitik

 

Wir laden Finanzminister Prof. Dr. Alexander Lorz ein, mit uns – der Gewerkschaft mit dem höchsten Organisationsgrad in der hessischen Finanzverwaltung – in einen offenen Dialog einzutreten. Vielleicht können wir in einem solchen Austausch die großen Linien der epochalen Veränderung infolge von KI und Digitalisierung etc. charakterisieren und erörtern, was das für die Beschäftigten in der Hessischen Finanz- und Steuerverwaltung nach sich ziehen könnte. Nur durch einen ehrlichen Austausch können tragfähige Lösungen entstehen. Auch wir denken weiter – nicht nur von 12 Uhr bis Mittag. 

 

Hierbei sollten auch die neuen digitalen Überwachungsinstrumente auf den Tisch des Hauses gelegt und debattiert werden. Was wollen wir die Verantwortlichen mit derartigen Maßnahmen erreichen? Etwa eine Welle von Personalabgängen, weiter schwindende Identifikation mit dem Arbeitgeber – eine massive Beschädigung der Arbeitsmoral. Der Berufsstand wird bei derlei Wertekultur mehr und mehr ausgehöhlt. Bezeichnend, dass zahlreiche Kolleginnen und Kollegen die kommunale Offerte herbeisehnen.

Dass eine Untergliederung der Komba-Gewerkschaft die Maßnahme vorschnell begrüßt, mag politisch bequem sein – mit einer ernsthaften Interessenvertretung der Beschäftigten hat das jedoch wenig zu tun.

 

Begleiterscheinungen

 

– Auf Beschäftigtenumfragen bezüglich Gesundheits-Management sollte der Dienstherr verzichten, wenn er sie trotz rot stehender Ampel (Arbeitsbelastung und Arbeitszufriedenheit) ohnehin nicht beachtet, sondern noch ins Gegenteil verkehrt.

 

– Nun können die Entscheider Beschäftigten den Wechsel zu einem anderen Arbeitgeber -nach erfolgreicher Bewerbung- kaum mehr verwehren? Das Killer-Argument „Personalmangel“ dürfte nun doch wohl weggefallen sein (!), oder?

 

– Zahlreiche Beschäftigte erinnern sich noch an die seinerzeitige „Personal-Vermittlungs-Stelle“ im Rahmen der Operation Düstere Zukunft 2004 ff. Damals wurden viele Beschäftigte von Hessen-Forst in andere Geschäftsbereiche „umverpflanzt“. Der Wald lässt grüßen! 

 

– Ob die eine oder andere Kommune auch von der Möglichkeit der sogenannten „Raub-Ernennung“ Gebrauch macht, um gute FINANZER dauerhaft zu binden, wer weiß!? 

 

Wer als Hessen-Betrieb, die Abteilung schwächt, die maßgeblich für die Einnahmen des Landes verantwortlich ist, gefährdet die finanzielle Zukunft Hessens.

Vor diesem Hintergrund wirkt selbst die jüngst veröffentlichte Pressemitteilung des Finanzministeriums zu den Rekord-Einnahmen aus der Erbschaftsteuer in den Ämtern wenig glaubwürdig.

 

Die DSTG Hessen appelliert eindringlich:

Beenden Sie diese symbolpolitische Maßnahme – und stärken Sie stattdessen die Finanzverwaltung, auf die sich unser Land tagtäglich verlassen muss. Wir „erwirtschaften“ den Konsolidierungsbeitrag fürs Ressort durch unsere Tätigkeit – lasst die Bediensteten einfach arbeiten!